Stellungnahme des Ortsbürgermeisters zum Schulentwicklungsplan der Stadt Bergheim
Die Stadt Bergheim ist verpflichtet, wie alle Kommunen, einen Schulentwicklungsplan vorzulegen. In Bergheim wird der Ansatz einer integrierten Schulentwicklungsplanung und Jugendhilfeplanung verfolgt. Das finde ich sehr gut und wichtig. Es herrscht ein großer quantitativer Druck, zusätzlichen Schulraum für die in Bergheim lebenden schulpflichtigen Kinder zu schaffen. Dieser Plan geht dem nun nach. Weitere Informationen erhalten Sie unter: Jugendhilfe- und Sozialplanung – Kreisstadt Bergheim.
Der Entwurf für eine „infrastrukturelle Schulentwicklungsplanung Primarstufe 2021 inklusive der Bestandsaufnahme von Jugendhilfeangeboten“ ist Ende April 2021 vorgelegt worden. Ich habe ihn zwischenzeitlich gelesen und als Ortsbürgermeister eine formelle Stellungnahme abgegeben. Hierzu habe ich dann auch ein Gespräch mit dem zuständigen Beigeordneten geführt, der mir zusagte, die für Ahe angemerkten Daten mir zukommen zu lassen und die anderen Hinweises in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Meine Stellungnahme wird nachstehend zu Ihrer Kenntnis wiedergegeben:
Stellungnahme Dr. Winfried Kösters, Ortsbürgermeister Ahe, zum Entwurf
„Infrastrukturelle Schulentwicklungsplanung Primarstufe 2021 inclusive der Bestandsaufnahme von Jugendhilfeangeboten“
- Dieser Text umfasst insgesamt 185 Seiten. Davon nimmt die Bestandsaufnahme (= Darstellung der IST-Situation) 175 Seiten ein. Die „Prognose Schulneulinge“ incl. der „möglichen Maßnahmen“ nimmt 10 Seiten ein. Das ist nicht nachvollziehbar, zumal es darauf ankommt.
- Für Ahe zum Beispiel erfahre ich im Rahmen der Bestandsaufnahme viel Wissenswertes. Es sind auch detaillierte Angaben notiert. Im Rahmen der Prognose erfahre ich über Ahe nichts (auch keine detaillierten Prognosedaten). Ahe verschwindet im Sozialraum IV. Das ist nicht nachvollziehbar.
- Die auf Seite 175 angekündigte „Grundlage der Bevölkerungsprognose“ wird weder näher erläutert noch stadtteilorientiert dargestellt. Das empfinde ich als Manko, auch nicht nachvollziehbar, zumal diese Daten ja vorliegen (müssen).
- Die Bestandsaufnahme ist sehr gut, sehr detailliert und recht umfassend. Im Einzelnen kann noch zu vielen Punkten Stellung bezogen werden. Gleichwohl ist das erst einmal ein Wert an sich. Denn: Es wird die Bedeutung der Kooperation von Jugendhilfe und Schule mehr als betont. Umso unverständlicher finde ich, dass der Fachausschuss für Jugendhilfe sich gar nicht damit beschäftigt. Dies ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil auf Seite 5 davon gesprochen wird, dass die „Sensibilisierung für ein ganzheitliches Bildungsverständnis“ ein Ziel sei.
- Das Thema Inklusion wird mehrfach angesprochen. Da aber der Stadtteil Ahe zum Beispiel nahezu die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auffängt, wäre hier auch eine gesonderte Betrachtung – räumlich, finanziell, personell – angebracht. Die fehlt. Warum? Auch perspektivisch, denn die Statistik belegt, dass Ahe schon seit Jahren mit hohen Fallzahlen aufwartet. Nimmt man das einfach hin? Wie sieht hier die Entwicklung aus?
- Angesichts dieser klaren Bedeutung der Jugendhilfeangebote im Sozialraum bzw. im Stadtteil bzw. im Quartier ist es kaum verständlich, dass der Prognose dieser Jugendhilfeangebote praktisch kein Raum geschenkt wird. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich nur die Schule prognostisch ändert! Welche Auswirkungen sieht die Verwaltung für die Angebote der Jugendhilfe?
- Neben dem Sozialraumansatz, den ich nachvollziehen kann, könnte es noch einen sehr guten Ansatz geben: Die Betrachtung von Schulen bzw. Quartieren bzw. Stadtteilen, in denen vergleichbare soziodemografische Rahmenbedingungen herrschen. Dazu zählen zum Beispiel Ahe und Kenten, hier insbesondere die Astrid-Lindgren-Schule. Da Bergheim sozio-demografisch sehr unterschiedliche Stadtteile hat (Ahe hat einen Anteil von 46,9 Prozent Kinder von 0-15 Jahren im Hartz-IV-Bezug, Fliesteden von 1,3 Prozent) braucht es auch sehr unterschiedliche strategische Ansätze. Dem sehe ich in diesem Schulentwicklungsplan perspektivisch keinen Raum gegeben.
- Die Situation der Fachkräfteversorgung, damit die Dimension des Fachkräftebedarfs in Zukunft wird überhaupt nicht Rechnung getragen. Die leidliche Unterteilung in innerschulische und außerschulische Angelegenheiten ist weltfremd. Was nutzen Plätze und Klassen, wenn es keine Lehrkräfte gibt? Was nutzen OGS-Angebote, wenn es hierfür keine (qualifizierten) Personalangebote gibt? Anders: Wie ist die Alterungssituation an den jeweiligen Schulen und OGS-Einrichtungen? Diese Dimension fehlt völlig – auch perspektivisch. Warum? Übrigens gilt dies auch zum Thema Inklusion. Der Bedarf an Fachkräften für den sonderpädagogischen und sozialpädagogischen Förderbedarf wird klar festgestellt, aber ihm wird nicht kritisch Rechnung getragen.
- Es könnten nun an zahlreichen einzelnen Punkten noch Fragen, Anregungen und konstruktiv-kritische Hinweise gegeben werden. Ein Beispiel: Auf Seite 7 wird das Ziel formuliert „Ermöglichung von und Motivierung zu einem möglichst hohen Bildungsabschluss“. Mal abgesehen davon, dass das aus meiner Sicht kein Ziel ist, stellt sich zudem die Frage, wie ist die IST-Situation. Wie viele Kinder aus Ahe machen welche Bildungsabschlüsse? Wie viele Kinder aus Ahe brechen die Schule ab? Wie ist hier das Geschlechterverhältnis, wie die Zuwanderungssituation? Was wäre aufgrund dieser Daten perspektivisch zu tun? Welche räumlichen, personellen und finanziellen Angebote werden perspektivisch gebraucht? Und dann komme ich dazu, das Ziel zu formulieren: „2030 erreichen 95 Prozent aller Kinder und Jugendlichen aus Ahe einen qualifizierten Bildungsabschluss!“
- Interessant wäre noch zu wissen, in welche Stadtteile / Quartiere heute welche finanziellen Ressourcen fließen. Stimmt das mit der Einwohnerzahl bzw. der Zahl der Kinder und Jugendlichen überein? Stimmt das mit den sozio-demografischen Herausforderungen überein? Dazu werden nur quantitative demografische Hinweise gegeben (Seite 9 ff). Wenn wir sozial nachhaltig arbeiten wollen, bedarf es hier auch der Ergänzung um qualitative Daten.
An dieser Stelle belasse ich es aus Zeitgründen bei diesen Punkten, behalte mir aber vor, diese Stellungnahme noch zu ergänzen.
Bergheim-Ahe, den 5. Mai 2021
Dr. Winfried Kösters, Ortsbürgermeister