Kindergrundsicherung – ein Zukunftsbeitrag für die Wirtschaft
In einem Schreiben an den Bundesfinanzminister der Bundesrepublik Deutschland und den FDP-Vorsitzenden, Christian Lindner, und an den Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Christian Dürr, habe ich mich als Ortsbürgermeister von Ahe vehement für das Anliegen der Kindergrundsicherung eingesetzt. Mein Schreiben an diese beiden Herren veröffentliche ich hiermit im Wortlaut:
„Vorab sei gesagt, dass ich ein direkt gewählter Stadtrat in Bergheim bin, der im Rat der Stadt der FDP-Fraktion angehört. Ich bin aufgrund des Wahlerfolges von der FDP-Fraktion zur Wahl des Ortsbürgermeisters des Bergheimer Stadtteils Ahe nominiert und anschließend auch einstimmig gewählt worden. Es handelt sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit.
Der Stadtteil Ahe wird von rund 4.000 Menschen bewohnt, von denen
- 26,6 Prozent minderjährig sind (1.070 Menschen),
- weniger als 10 Prozent älter als 67 Jahre alt sind (wodurch die Bevölkerungspyramide hier auch noch auf „gesunden“ Füßen steht).
Ich argumentiere stets, dass dieser Stadtteil das Fachkräftereservoir der Stadt für die Zukunft ist. Doch
- 49 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren leben von Bürgergeld (früher Hartz IV).
- 42 Prozent der Einwohnenden haben keinen deutschen Pass (sind also statistisch Ausländer). Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Kindergärten und Schulen liegt weit über 50 Prozent.
- 58 Nationen leben neben der deutschen Nationalität in meinem Stadtteil.
Damit bin ich Ortsbürgermeister eines Stadtteils, der eine besondere Situation und viele Herausforderungen hat, die bundesweit nicht die Regel sind. Es ist aber auch ein Stadtteil, der in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit erhielt, da sich niemand gern mit solchen Problemen herumschlägt, zumal sie kaum dankbar an der Wahlurne bedacht werden. Was lange ungesteuert gewachsen ist, kann nicht mit einem Fingerschnippen wieder „geheilt“ werden. Hier ist langer Atem angesagt.
Als der Koalitionsvertrag auch mit der Unterschrift des FDP-Vorsitzenden besiegelt worden ist, war ich froh und dankbar, dass die Kindergrundsicherung beschlossen wird, denn ich beobachte
- viele (eher bildungsferne) Menschen, die schlichtweg überfordert sind, die Anträge auszufüllen, die gut für ihre Kinder wären.
- viele soziale Lebenswirklichkeiten (Familien mit mehr als drei Kindern, Alleinerziehende mit mehr als drei Kindern, wo dann noch besondere Handicaps und Einschränkungen, Sprachprobleme und Schwierigkeiten, den jeweiligen Alltag zu gestalten, hinzukommen), wo die Menschen schlichtweg überfordert sind und den Blick für ihre Kinder und die Möglichkeiten, die der Staat schon heute vielfältig bietet, gar nicht aufbringen.
- Formblätter und Antragsformulare, die so formuliert sind, dass sie 80 Prozent der Zielgruppe, für die sie gedacht sind, intellektuell gar nicht erreichen, weil sie sie nicht verstehen. (Es braucht dringend, dringend, sehr sehr dringend ein Fortbildungsprogramm der Menschen in Behörden in einfacher und leichter Sprache!).
Kinderarmut hat Auswirkungen auf Bildung, auf Gesundheit, auf Kriminalität, auf Engagement, auf Arbeit, die monetär in wenigen Jahren viel massiver die Sozialkassen belasten werden, wenn wir hier nicht energisch und klar agieren. Für mich ist die Kindergrundsicherung eine wichtige Chance und Möglichkeit, diese Kinder zu erreichen und nachhaltig zu fördern. Denn wir brauchen – auch demografisch betrachtet – jedes Kind, jedes Talent. Und die Wirtschaft braucht sie auch. Wer hier jetzt nicht klug investiert, wird in wenigen Jahren viele Betriebe massiv belasten, da diese Kinder in die Unternehmen drängen – und andere sind dann in ausreichendem Maß gar nicht mehr da. (Kein neues Phänomen, aber ein gesellschaftlich, politisch, administrativ, wirtschaftlich lange hartnäckig ignoriertes Phänomen.)
Daher bitte ich Sie, diese Kindergrundsicherung als ein wichtiges Projekt für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes zu werten und zu betrachten. Wenn wir diese Talente nicht schöpfen können, wird die Wertschöpfung unserer Unternehmen, damit auch die Steuerkraft und die Finanzierung vieler notwendiger Vorhaben (auch im Klimaschutz) nicht gelingen.
Ich hänge nicht an dem Begriff Kindergrundsicherung, aber für mich ist wichtig, dass
- alle Leistungen für die jeweiligen Kinder in der jeweiligen Lebenssituation aus einer Hand kommen.
- die zentrale Frage das Wohl des Kindes und die Entwicklungsförderung des Kindes ist.
- die Beantragung dieser Mittel so einfach wie irgendwie möglich ist.
- die Mittel da ankommen, wo sie tatsächlich für diese Kinder gebraucht werden. (Das kann zum Beispiel auch die Hausaufgabenhilfe im Jugendzentrum oder der OGS sein, die sich mühsam über den Jugendhilfeetat einer Stadt finanzieren muss.)
Seit 1964 haben sich die Geburtenzahlen halbiert, die Zahlen der von Sozialtransfers abhängigen Kinder aber verachtfacht. Keine (!) Regierung ist bisher in der Lage oder willens gewesen, diesen Trend zu verändern. Das können wir uns nicht mehr leisten. Ich bitte daher inständig, alle Ihre Möglichkeiten zu nutzen, das Projekt „Kindergrundsicherung“ der Bundesregierung zu realisieren. Als Ortsbürgermeister habe ich versucht deutlich zu machen, was wichtig ist.
Für weitere Gespräche stehe ich gern bereit.
Danke für Ihre Zeit, diesen Brief zu lesen und sich mit meinen Gedanken zu beschäftigen.