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Kiesgrubenabbau: Schreiben des Bürgermeisters an den Landrat

03. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Landrat Rock,
lieber Frank,

seit Jahrzehnten ist die räumliche Entwicklung der Stadtteile Bergheims stark durch den
Braunkohlentagebau und die mit ihm verbundenen räumliche Eingriffe und technische
Energieversorgungsanlagen restriktiv geprägt. Die Kreisstadt Bergheim vertritt daher stets in den
Planungs- und Genehmigungsverfahren zu Kiesgruben auf ihrem Stadtgebiet klar und
nachdrücklich die entsprechenden Belange. Diese sind aufgrund der Historie der Stadtentwicklung
Bergheims und der damit verbundenen Bedeutung als Energieversorgungsstandort der Region und
Kreisstadt des Rhein-Erft-Kreises stärker betroffen als es in anderen Kommunen des
Regierungsbezirks Köln der Fall wäre. Ich sehe es daher nicht nur aus planerischen Aspekten als
meine Verpflichtung an, weitere großflächige Eingriffe in Boden und Landschaftsraum zu
verhindern, die auch zukünftig wieder zu starken Beeinträchtigungen für die Bergheimer
Bürgerinnen und Bürger führen; insbesondere in den Stadtteilen Thorr und Ahe. Als eine der am
stärksten vom Strukturwandel betroffenen Kommunen im Rhein-Erft-Kreis muss allen
Projektierungen das Ziel zugrunde liegen, durch das Setzen wichtiger und richtiger Impulse in
positiver Weise auf den Strukturwandel einzuzahlen. Dies kommt auch dem Rhein-Erft-Kreis
insgesamt und seiner Rolle im Strukturwandelprozess zugute. Sei es unter klimatischen,
wirtschaftsfördemden oder identitätsstiftenden Aspekten.

Negativ wirkt sich besonders die Unzuverlässigkeit der in den Genehmigungsverfahren
festgelegten Verfüllungsfristen für die kommunale Planungssicherheit aus. Die Praxis hat gezeigt,
dass immer wieder Verlängerungsgenehmigungen für Altanlagen erteilt werden, während
gleichzeitig bereits neue Aufschlüsse genehmigt werden. Auch im Falle von Widdendorf II wäre
zu befürchten, dass diese Fläche in Bergheim-Ahe mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls deutlich
länger als die heute vorgesehenen 13 Jahre nicht für eine Rekultivierung und Nachnutzung im
Sinne einer positiven Stadtentwicklung zur Verfügung stehen wird; und zwar für Jahrzehnte nicht.

Die Gründe dafür, warum aus meiner Sicht die in Rede stehende Ausweisung großflächiger
Kiesgrubenabgra:bungen im Regionalplan Köln _: konzentriert in Bergheim zur Versorgung des
gesamten Regierungsbezirks zuzüglich der Nachbarländer – all diese berechtigten Belange der
Kreisstadt Bergheim nicht berücksichtigt, sind den Stellungnahmen der Kreisstadt zum Verfahren
der Neuaufstellung des Regionalplanes Köln, Teilplan Nichtenergetische · Rohstoffe und den
Beantragungsverfahren von Vorbescheiden für geplanten Abgrabungen Widdendorf I (u. a. vom
11.05.2022, 24.08.2022) und WiddendorfJI (u. a. 09.01.2023, 11.05.2022) zu entnehmen. Im Kern
wurden im Abwägungsprozess· des Regionalplanverfahrens einzelne Belange nicht in
entsprechender Weise berücksichtigt bzw. gewichtet Hierzu zählen insbesondere die Belange des
sparsamen Umgangs mit Grund und Boden, der besonderen Betroffenheit (z.B. Strukturwandel,
Flächenkonkurrenz … ), der grundsätzlichen Erforderlichkeit (verbindlicher Mengennachweis) oder·
auch der Vermeidung einer ungerechtfertigten Konzentration der regionalbedeutsamen Kiesgruben
im nördlichen Rhein-Erft-Kreis (Ungleichgewicht).

Die erneute Ablehnung des Einvernehmens wird m der Sitzung des Bergheimer
Planungsausschusses am 02.02.2023 voraussichtlich einvernehmlich festgestellt werden. Mit
Beschluss vom 13.03.2020 waren darüber hinaus alle Fraktionen des Regionalrats einstimmig (!)
der Argumentation der Kreisstadt Bergheim gefolgt und forderten die Bezirksregierung auf, in
einer nächsten Offenlage des Regionalplanes Köln, Teilplan Nichtenergetische Rohstoffe, den
Ausschlussbelang „Besondere Berücksichtigung vom Braunkohletagebau betroffener Kommunen“
zu ergänzen. Demnach sollen in den betroffenen Kommunen keine Neuaufschlüsse von BSAB und
Reservegebieten mehr erfolgen. Selten bestand eine solche Einstimmigkeit mit dem gemeinsamen
Ziel und Auftrag des Regionalrats an die Bezirksplanungsbehörde, im Regionalplan Köln keine
Konzentrationszonen mehr auf Bergheinier Stadtgebiet auszuweisen. Es ist also belastbar davon
auszugehen, dass die Bezirksregierung Köln· bei einer erneuten Offenlage keinerlei
Konzentrationszone auf Bergheimer Stadtgebiet mehr ausgewiesen wird. Diese Offenlage wird in
den nächsten Wochen erfolgen.

Regionalplänen wird seitens des Gesetzgebers und der Rechtsprechung eine Vorwirkung
zuerkannt, die dazu führt, dass auch Entwürfe von Regionalplänen von öffentlichen Stellen bei
raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung
nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen sind. Die steuernde Kraft, die
Ziele der Raumordnung nach§ 3 Nr. 2 ROG als verbindliche Vorgaben innehaben, dokumentiert.
sich bereits im Aufstellungsverfahren in rechterheblichen Vorwirkungen als „Sonstige
Erfordernisse der Raumordnung“ im Sinne des § 3 Nr. 4 ROG. Gern. § 36 Landesplanungsgesetz
NRW wird der Landesplanungsbehörde sogar erlaubt, raum bedeutsame Planungen befristet zu
untersagen, wenn zu befürchten ist, dass die Verwirklichung in Aufstellung, Änderung, Ergänzung
oder Aufhebung befindlicher Ziele der Raumordnung damit unmöglich gemacht oder wesentlich·
erschwert würden. Dies wäre spätestens im Falle der Erteilung der eigentlichen
Abgrabungsgenehmigung durch den Rhein-Erft-Kreis hier eindeutig der Fall.

Ich möchte hiermit ausdrücklich daraufhin weisen, dass mir diese Bewertung als bestätigende
Stellungnahme einer Kölner Rechtsanwaltskanzlei vorliegt. Wenn also wie vorgesehen im zweiten·
Planentwurf des Regionalplans Köln keine BSAB-Gebiete mehr für die Kreisstadt Bergheim
. ausgewiesen werden, wäre dies eine raumbedeutsame Pla~ung, die von öffentlichen Stellen in der
Abwägung oder bei der Ermessensausübung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu
berücksichtigen ist.

Die politischen Vertreter der Kreisstadt Bergheim, des Kreises und des Regierungsbezirks Köln
wirken zurzeit mit mir zusammen darauf hin, dass durch entsprechende Regionalratsbeschlüsse
klarstellende Vorgaben an die untergeordneten Planungs- und Genehmigungsbehörden erfolgen.

Ich bin überzeugt davon, dass sich der bereits mit Beschluss vom· 13.03.22 vom Regionalrat
manifestierte Wille, dem Belang der besonderen Betroffenheit aufgrund des Braunkohlentagebaus
eine größere Gewichtung im Regionalplanverfahren zu . verleihen, zeitnah im 2. Planentwurf
konkretisieren wird und bitte Sie, dies in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu den
Abgrabungen Widdendorf entsprechend zu berücksichtigen und insbesondere eine Genehmigung
zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Mießeler, Bürgermeister der Stadt Bergheim

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