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Kiesgrubenabbau – fünf Bitten an den Landrat

07. März 2023

Sehr geehrter Herr Rock,

In Ihren Schreiben, die Sie den Bürger*innen zukommen ließen, die Sie um entsprechende Aktivitäten in Sachen Kiesgrubenabbau zwischen den Bergheimer Stadtteilen Ahe und Thorr baten, und die sich auch auf mein Schreiben als Ortsbürgermeister von Ahe an Sie bezogen, aber auch in Ihrem Schreiben an den Bürgermeister der Stadt Bergheim vom 23. Februar 2023, das mir vorliegt, betonen Sie eindrücklich, dass Sie als Landrat überhaupt keinen Ermessens- und Handlungsspielraum in dieser Frage hätten. Entsprechend haben Sie mit Datum vom 8. Februar 2023 einen Vorbescheid erlassen.

In unserem Telefonat aufgrund meines bisher noch unbeantworteten Schreibens als Ortsbürgermeister des Bergheimer Stadtteils Ahe vom 27. Januar 2023, hatten Sie das auch ausgeführt. Gleichwohl hatten Sie mir im Telefonat noch zugesichert, mir drei aufgeworfene Fragen zu beantworten. Dies ist entgegen Ihrer Zusage bisher nicht erfolgt.

Der 26-seitige Vorbescheid liegt mir nun auch vor und ich entnehme ihm, dass er „allein zur Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens auf Trockenabgrabung zur Gewinnung von Kies, Lehm und Sand“ ergangen sei.

Meiner Ansicht nach gibt es mindestens fünf gute Gründe und Möglichkeiten, vor Erteilung der Vollgenehmigung aktiv zu werden und die Interessen der Bürger*innen, die im Bergheimer Stadtteil Ahe leben und für die ich sprechen darf, zu vertreten.

Erstens:

Sie berufen sich auf Gesetze, die geltendes Recht darstellen. Das ist in einem Rechtsstaat unerlässlich. Doch sind diese Gesetze verabschiedet worden zu einem Zeitpunkt, als bestimmte Ereignisse noch unvorstellbar waren. Das, was wir zum Beispiel in Erftstadt-Blessem erleben mussten, haben Fachleute nicht für möglich gehalten. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es auch aufgrund des Klimawandels Ereignisse geben kann, die zu der Zeit, als die gesetzlichen Grundlagen gelegt worden sind, nicht vorstellbar waren und somit nicht berücksichtigt werden konnten. Ich bitte Sie daher, das zuständige Ministerium in Nordrhein-Westfalen anzuschreiben, ob bei einem behördlichen Verfahrensablauf „Wie immer“ auf der Grundlage eines bedenkenlosen „Weiter so!“ nicht Leben gefährdet wird, wenn zum Beispiel ein Kiesgrubenabbau in unmittelbarer Nähe einer Bebauung ermöglicht wird, obwohl Erfahrungen aus dem Juli 2021 nahelegen, dass dies für Leib und Leben sehr gefährlich sein kann. Fragen Sie bitte die zuständige Ministerin, ob sie es verantworten kann, menschliches Leben zu gefährden, bloß weil bestehende gesetzliche Regelungen neue Erfahrungen und Erkenntnisse nicht berücksichtigen können.

Zweitens:

Die sintflutartigen Ereignisse am 14./15. Juli 2021 im Ahrtal, aber auch im südlichen Rhein-Erft-Kreis werden mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Bereits 1990 sagte der erste Weltklimabericht der Vereinten Nationen solche Ereignisse voraus, weil das Klima bestimmten physikalischen Gesetzen folgt. Wir verzeichnen zurzeit eine Erwärmung des Weltklimas um 1,1 Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Was wird erst auf uns zukommen, wenn wir eine Erwärmung von 1,5 Grad Celsius oder 2,0 Grad Celsius messen werden? Die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben diese Weltklimaberichte 30 Jahre nicht ernst genommen. Wollen wir nun nach den Erfahrungen vom Juli 2021 wieder den Kopf in den Sand stecken? Wenn in unmittelbarer Nähe einer Bebauung eine Grube von enormer Tiefe ausgehoben wird, wenn dann ein Starkregen unvorstellbaren Ausmaßes diese Grube füllt, wenn dann in einer Kettenreaktion diese Bebauung neben der Grube unterspült wird und in die Grube reißt, wenn dabei menschliches (und tierisches) Leben vernichtet werden könnte: Können wir so weitermachen wie bisher? Ich bitte Sie inständig, das zuständige Ministerium des Landes NRW anzuschreiben und um eine Risikobewertung und -abschätzung zu bitten. Kann die zuständige Ministerin den Menschen verbindlich sagen, dass hier kein Risiko für Leib und Leben besteht, weil sie weiß, dass klimabedingte Prozesse an diesen Stellen nicht zu wie oben beschriebenen Folgen führt?

Drittens:

Sie betonen, dass Sie den Expert*innen Ihres Hauses folgen müssten, die Ihnen sagten, dass Sie hier keinen Ermessens- und Handlungsspielraum hätten. Waren es nicht auch Expert*innen, die sich nicht vorstellen konnten, dass wir etwas wie im Juli 2021 im Ahrtal erleben mussten, erleben? Waren es nicht auch Expert*innen verschiedener beteiligter Behörden, die den Kiesgrubenabbau in Erftstadt-Blessem nicht nur genehmigten, sondern auch kontrollierten – und dabei versagten? Wissen wir nicht heute, dass ein Expert*innenwissen allein nicht mehr ausreicht, um derartige Risiken abzuschätzen und zu beurteilen? Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen in Ihrer Behörde, die sich fachlich damit auseinandersetzen, in ihrem Fachgebiet über eine ausgewiesene Expertise verfügen. Doch angesichts komplexer und interdependierender Ereignisse reicht es meiner Meinung nach nicht mehr aus, sich nur auf einen Expert*innenblickwinkel zu verlassen. Angesichts dieser bedeutenden Entscheidung, bitte ich Sie, ein öffentliches Expert*innenhearing durchzuführen, wo verschiedene Expert*innen aus Ihrem jeweiligen fachlichen Blickwinkel vortragen, um dann zu einer abgewogenen Empfehlung zu kommen. Das sollte deshalb öffentlich sein, damit betroffene Bürger*innen nachvollziehen können, wie Entscheidungen im Anschluss getroffen worden sind.

Viertens:

Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Überarbeitung des Regionalplanes Nichtenergetische Rohstoffe die Möglichkeit eines Kiesgrubenabbaus auf dem Stadtgebiet der Stadt Bergheim nicht mehr ermöglicht. Doch bis zu einer Rechtswirksamkeit dieses aktualisierten Regionalplans gilt die bisherige Rechtslage. Für den Fall, dass der überarbeitete Regionalplan an der beantragte Stelle den Kiesgrubenabbau nicht mehr möglich machen wird, bleibt die Frage offen: Besteht aufgrund des erteilten Vorbescheides ein Rechtsanspruch, der unter Umständen sogar eingeklagt werden kann? Bestehen dadurch ggf. Schadensersatzansprüche, die abgewogen werden müssten? Ich bitte Sie, hierzu vorab rechtsverbindliche Stellungnahmen öffentlich abzugeben.

Fünftens:

Politisches Handeln basiert auf einem guten Vertrauensverhältnis zwischen den Bürger*innen einerseits und den gewählten Mandatsträger*innen andererseits. Die dramatisch gesunkene Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen belegt, dass immer weniger Bürger*innen der Politik vertrauen und bei bestimmten Entscheidungsprozessen unterstellen, dass es hinter verschlossenen Türen zu „Deals“ komme. Die Tatsache, dass der beantragende Unternehmer Mitglied der CDU (wie Sie) sein soll, könnte Anlass zu Vermutungen geben, denen vorgebeugt werden muss. Ich bitte Sie daher, eine öffentliche Informationsveranstaltung durchzuführen, um eine größtmögliche Transparenz zu ermöglichen. Als Ortsbürgermeister von Ahe lade ich Sie ein, eine solche Veranstaltung in Ahe durchzuführen. Ich möchte vermeiden, dass der Gedanke aufkommt, eine Spende des Unternehmens an Ihre Partei habe dazu beigetragen, dass die Entscheidungen zugunsten des Unternehmens an dieser Stelle gefällt worden sind.

Sehr geehrter Herr Rock, das nun mit einem Vorbescheid versehene Vorhaben wird sehr sensibel in der Bevölkerung diskutiert. Daher möchte ich Sie bitten, von Ihren Handlungsmöglichkeiten als Landrat Gebrauch zu machen. Einige Vorschläge habe ich hierzu unterbreitet. Danke für Ihr Aktivwerden im Sinne der Bürger*innen von Bergheim-Ahe.

(Dieses Schreiben ist dem Landrat gestern zugestellt worden.)

 

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