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Kiesgrube – Schreiben des Bürgermeisters an den Regionalrat

22. Februar 2023

Bürgermeister Volker Mießeler hat mir heute sein Schreiben zur Verfügung gestellt, dass er unmittelbar vor den närrischen Tagen an den Vorsitzenden des Regionalrates der Bezirksregierung Köln, Herrn Rainer Deppe, geschickt hat. Es unterstreicht noch einmal die eindeutige ablehnende Haltung der Stadt Bergheim zum Vorhaben, einen Kiesgrubenabbau in der Nähe von Ahe zu ermöglichen.  Ziel muss es nach wie vor sein, den Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Herrn Frank Rock, der meint, er habe keine Handlungsspielräume, zu ermutigen, seine politischen Möglichkeiten zu nutzen. Dieser Brief bringt auch  zum Ausdruck, dass eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt worden ist, juristisch Stellung zu beziehen. Direkt Betroffene haben ebenfalls Anwälte und Landwirtschaftskammern und andere Akteur*innen um Stellungnahmen gebeten. Der gesellschaftliche Druck wird größer. Ziel ist, den Druck im Kessel zu halten. Das Schreiben des Bürgermeisters möchte ich Ihnen nachstehend zur Kenntnis bringen.

Sehr geehrter Herr Deppe,

seit Jahrzehnten ist die räumliche Entwicklung der Stadtteile Bergheims stark durch den Braunkohlentagebau und die mit ihm verbundenen räumliche Eingriffe und technische Energieversorgungsanlagen restriktiv geprägt. Die Kreisstadt Bergheim vertritt daher stets in den Planungs- und Genehmigungsverfahren zu Kiesgruben auf ihrem Stadtgebiet klar und nachdrücklich die entsprechenden Belange. Diese sind aufgrund der Historie der Stadtentwicklung Bergheims und der damit verbundenen Bedeutung als Energieversorgungsstandort der Region und Kreisstadt des Rhein-Erft-Kreises stärker betroffen als es in anderen Kommunen des Regierungsbezirks Köln der Fall wäre. Ich sehe es daher nicht nur aus planerischen Aspekten als meine Verpflichtung an, weitere großflächige Eingriffe in Boden und Landschaftsraum zu verhindern, die auch zukünftig wieder zu starken Beeinträchtigungen für die Bergheimer Bürgerinnen und Bürger führen; insbesondere in den Stadtteilen Thorr und Ahe. Als eine der am stärksten vom Strukturwandel betroffenen Kommunen im Rhein-Erft-Kreis muss allen Projektierungen das Ziel zugrunde liegen, durch das Setzen wichtiger und richtiger Impulse in positiver Weise auf den Strukturwandel einzuzahlen. Sei es unter klimatischen, wirtschaftsfördernden oder identitätsstiftenden Aspekten. Dies sollte unser Aller Ziel im Regierungsbezirk Köln sein.

Umso erfreulicher war es, dass der Regionalrat der Bezirksregierung Köln am 13.03.20 unter Ihrer Leitung den Argumenten gefolgt ist und sich einstimmig dafür ausgesprochen hat, diese besonderen Belange der Braunkohlenbetroffenheit in das Regionalplanverfahren adäquaten Eingang finden zu lassen.

Negativ wirkt sich besonders die Unzuverlässigkeit der in den Genehmigungsverfahren festgelegten Verfüllungsfristen für die kommunale Planungssicherheit aus. Die Praxis hat gezeigt, dass immer wieder Verlängerungsgenehmigungen für Altanlagen erteilt werden, während gleichzeitig bereits neue Aufschlüsse genehmigt werden. Dies wäre auch für die geplanten Kiesgruben Widdendorf I und Widdendorf II zu befürchten – also weniger ein Wandel der Strukturen als vielmehr eine Verfestigung für weitere Jahrzehnte.

Im Falle von Widdendorf II bedeutete dies, dass diese Fläche in Bergheim-Ahe mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls deutlich länger als die heute vorgesehenen 13 Jahre nicht für eine Rekultivierung und Nachnutzung im Sinne einer positiven Stadtentwicklung zur Verfügung stehen wird.

Die zahlreichen Gründe dafür, warum aus meiner Sicht die in Rede stehende Ausweisung großflächiger Kiesgrubenabgrabungen im Regionalplan Köln – konzentriert in Bergheim zur Versorgung des gesamten Regierungsbezirks inklusive der Nachbarländer – all diese berechtigten Belange der Kreisstadt Bergheim nicht berücksichtigt, sind den Stellungnahmen der Kreisstadt zum Verfahren der Neuaufstellung des Regionalplanes Köln, Teilplan Nichtenergetische Rohstoffe und den Beantragungsverfahren von Vorbescheiden für geplanten Abgrabungen Widdendorf I (u. a. vom 11.05.2022, 24.08.2022) und Widdendorf II (u. a. 09.01.2023, 11.05.2022) zu entnehmen. Im Kern wurden im Abwägungsprozess des Regionalplanverfahrens mehrere Belange nicht in entsprechender Weise berücksichtigt bzw. gewichtet. Hierzu zählen insbesondere die Belange des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden, der besonderen Betroffenheit (z.B. Strukturwandel, Flächenkonkurrenz…), grundsätzlichen Erforderlichkeit (verbindlicher Mengennachweis) oder auch Vermeidung einer ungerechtfertigten Konzentration der regionalbedeutsamen Kiesgruben im nördlichen Rhein-Erft-Kreis (Ungleichgewicht).

Die erneute Ablehnung des Einvernehmens wurde in der Sitzung des Bergheimer Planungsausschusses am 02.02.2023 einvernehmlich festgestellt. Wenn die Fraktionen des Regionalrats der Argumentation ihres Beschlusses vom 13.03.2020 im weiteren Verfahren folgen, würden in den betroffenen Kommunen keine Neuaufschlüsse von BSAB und Reservegebieten mehr erfolgen. Es ist also belastbar davon auszugehen, dass die Bezirksregierung Köln bei einer erneuten Offenlage keinerlei Konzentrationszone auf Bergheimer Stadtgebiet mehr ausweisen wird. Um einer nicht gewünschten planerischen Verfestigung im Sinne eines Windhundprinzips entgegenzuwirken, hoffe ich, dass die Offenlage des geänderten Planentwurfs auch tatsächlich wie geplant zeitnah noch im Frühjahr 2023 stattfinden wird.

Regionalplänen wird seitens des Gesetzgebers und der Rechtsprechung eine Vorwirkung zuerkannt, die dazu führt, dass auch Entwürfe von Regionalplänen von öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen sind. Die steuernde Kraft, die Ziele der Raumordnung nach § 3 Nr. 2 ROG als verbindliche Vorgaben innehaben, dokumentiert sich bereits im Aufstellungsverfahren in rechterheblichen Vorwirkungen als „Sonstige Erfordernisse der Raumordnung“ im Sinne des § 3 Nr. 4 ROG. Gem. § 36 Landesplanungsgesetz NRW wird der Landesplanungsbehörde sogar erlaubt, raumbedeutsame Planungen befristet zu untersagen, wenn zu befürchten ist, dass die Verwirklichung in Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung befindlicher Ziele der Raumordnung damit unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würden. Dies wäre spätestens im Falle der Erteilung der eigentlichen Abgrabungsgenehmigung durch den Rhein-Erft-Kreis hier eindeutig der Fall.

Zahlreiche politische Vertreter der Kreisstadt Bergheim, des Kreises und Regierungsbezirks Köln wirken zurzeit ebenso wie ich gemeinsam darauf hin, dass durch entsprechende Regionalratsbeschlüsse klarstellende Vorgaben an die untergeordneten Planungs- und Genehmigungsbehörden erfolgen, die der Gesetzgeber explizit mit dem Landesplanungsgesetz NRW ermöglicht.

Wir alle sind überzeugt davon, dass sich der bereits mit Beschluss vom 13.03.23 vom Regionalrat manifestierte Wille, dem Belang der besonderen Betroffenheit aufgrund des Braunkohlentagebaus eine größere Gewichtung im Regionalplanverfahren zu verleihen, im 2. Planentwurf konkretisieren wird, sehen aber mit Sorge das gleichzeitige Vorantreiben der beim Rhein-Erft-Kreis zuständigkeitshalber angesiedelten Abgrabungsgenehmigungsverfahren.

Um dieser Problematik Rechnung zu tragen erfolgte zwischenzeitlich eine Einladung der Regionalplanungsbehörde Köln zu einem Abstimmungstermin am 08.03.23 bezüglich der aktuellen Abgrabungsvorhaben in Bergheim und Elsdorf in das Kreishaus Bergheim, an dem ich selbstverständlich teilnehmen werde.

Dieses werte ich als positives Signal, dass nicht zuletzt aufgrund der starken Resonanz in Öffentlichkeit und Politik und in Anerkennung der planungsrechtlichen und zeitlichen Zusammenhänge ein zwischen den Behörden abgestimmtes, zielführendes Verfahren besprochen werden soll.

Gerne biete ich an, die eindeutige juristische Bewertung einer von mir beauftragten Rechtsanwaltskanzlei einzubringen. Wenn also wie vorgesehen im zweiten Planentwurf des Regionalplans Köln keine BSAB-Gebiete mehr für die Kreisstadt Bergheim ausgewiesen werden, wäre dies eine raumbedeutsame Planung, die von öffentlichen Stellen in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen ist.

Ich habe die Hoffnung, dass die Kreisstadt Bergheim auch diesmal wieder auf die Unterstützung des Regionalrats Köln zählen kann, indem er sich für eine so zeitnah wie möglich erfolgende Offenlage des geänderten Planentwurfs einsetzt. Aufgrund der beschriebenen besonderen zeitlichen Brisanz und Abhängigkeit der behördlichen Verfahren der Bezirksregierung Köln und des Rhein-Erft-Kreises wäre es aber darüber hinaus wünschenswert, wenn der Regionalrat in der nächstfolgenden Sitzung vorab deklariert, welche Ziele er verfolgen möchte, auch wenn sich der Regionalplan vielleicht noch in der Aufstellung durch die Bezirksregierung Köln befindet. Er könnte so durch Beschluss seinen Willen manifestieren, an seiner bisherigen Intention festzuhalten, keine BSAB in den Nordkreiskommunen auszuweisen. Dies könnte der Bezirksplanungsbehörde als belastbare Vorgabe für eine befristete Untersagung gem. § 36 Landesplanungsgesetz NRW dienen und als wichtiger Belang, der in den nachfolgenden Abgrabungsgenehmigungsverfahren durch den Rhein-Erft-Kreis eindeutig zu berücksichtigen sein wird.

 

 

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